War 19 Monate im Zigeunerlager Lackenbach eingesperrt.

Adolf Papai ist begnadeter Musiker und spricht vier Sprachen. Ungarisch, Kroatisch, Deutsch und Romani. Zur Welt gekommen und aufgewachsen ist Papai in Langenthal. Dort gab es in den 1930er Jahren eine Romasiedlung mit ungefähr 350 Einwohnern, 280 davon sollten die Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht überleben.

8.000 Zigeuner lebten 1938 im Burgenland, etwa doppelt so viele wie Juden. Gauleiter Dr. Tobias Portschy verfolgte die burgenländischen Zigeuner mit gleicher Brutalität wie die jüdische Bevölkerung. Lehrer mussten – oft entgegen ihrer Überzeugung – Zigeunerkinder nach Hause schicken, Portschy hatte den weiteren Schulbesuch unter Strafe gestellt. Es folgten das offizielle Verbot des Musizierens und der Entzug des Wahlrechts.

Der Courage seines Lehrers verdankt Adolf Papai die 18 Monate, die er zur Schule gehen durfte.

Bald folgten erste Deportationen, im August 1939 wurden Männer aus dem Dorf abgeholt, auch der Vater von Adolf Papai: „20 Schritte vor unserem Haus haben sie ihn verhaftet, er durfte nicht mehr zu uns. Mein Vater kam ins KZ Buchenwald und wurde dort durch eine Giftinjektion getötet.“ 1940 kam das Musikergewand des Vaters gemeinsam mit seiner Asche zu Hause in Langenthal an.

Papai war neun Jahre alt, ging mit der Mutter täglich zehn Kilometer zu Bauern in der Umgebung und bot seine Arbeitsleistung für Lebensmittel an. „Dafür haben wir jeden Tag Milch oder Brot bekommen.“ Die Zigeuner waren handwerklich geschickt: „Wir haben oft Besen geflochten“, erinnert er sich. „Für 15 Besen haben wir 1,20 Reichsmark bekommen“. Und Ende Mai war Erntezeit bei den Seidenraupen: „Fünf Kilo steckten wir in einen Sack und erhielten dafür fünf Reichsmark“ – daraus wurde in Wien Seide für Fallschirme gewoben.

Das Zigeunerlager Lackenbach
In der Chronik des Gendarmeriepostens Lackenbach findet sich folgender Eintrag: „Am 23.11.1940 ist am so genannten Schaflerhof ein Zigeuneranhaltelager errichtet worden.“ Die Angaben zur Zahl der Inhaftierten gehen auseinander. Sie reichen bis zu 4.000.

Am 15. Oktober 1941 wurde die Romasiedlung von Langenthal geräumt. Auf Lastwagen wurden alle nach Lackenbach transportiert, von der Ladefläche sah Adolf Papai zum ersten Mal das „Logeri“, wie es die Roma nannten.

Die Außenwände des alten Meierhofes bildeten ein Rechteck mit rund 100 Metern Seitenlänge. Das Lager war von Stacheldraht umgeben, außerhalb standen drei Hochstände. Das Gebäude war teilweise schon verfallen, die Wände voller Flecken, an denen der Verputz herunterbröckelte. „Einmal ist viel Schnee gefallen, da sind Teile des Daches eingebrochen“, sagt Adolf Papai.

Schon bei der Ankunft erlebte Papai die volle Dimension der Grausamkeit. Unter seiner Jacke hatte er seinen kleinen Hund Lumpi mitgeschmuggelt, den er so gern gehabt hatte. Der Aufseher bemerkte das schwarz-weiße Tier als Adolf Papai vom Lastwagen kletterte. Der Soldat packte Lumpi an den Hinterläufen und schlug den jungen Besitzer mit dem Hund: „Er schlug mich so lange mit dem Hund, bis ihm nur noch die zwei Haxerl in den Händen blieben“.

Der Alltag im Zigeunerlager Lackenbach begann. Ein Alltag, der doch nie zur Gewohnheit wurde und 19 Monate dauern sollte. Papai, gerade zehn Jahre alt, musste gemeinsam mit einem anderen Buben Behälter mit 50 Litern Wasser für die Küche heranschleppen.

Anfangs schlief Papai in den ehemaligen Viehstallungen. „Wir lagen auf Stroh und Ziegeln. Das Dach war undicht, das Stroh oft feucht.“ Später wurden im Hof drei Baracken gebaut, wo Papai dann mit seiner Familie untergebracht wurde. Jeden Sonntag mussten Inhaftierte Holz sammeln, das dann für die Heizung oder einen der acht großen Kochkessel in der Küche verwendet wurde. Aus seinem Alugeschirr aß Adolf Papai jeden Tag gekochte Steckrüben oder Erdäpfel. Morgens gab es Kaffee und 125 Gramm Brot.

Hunger und Kälte, aber auch die Bestrafungen waren schlimm. „Es gab immer wieder Selbstmorde“, erzählt Adolf Papai. Auch Schwangere wurden inhaftiert, im Lager kamen alleine im Jahr 1941 17 Kinder zur Welt – wovon sechs noch im selben Jahr verstarben.

Fluchtversuche wurden drastisch bestraft „Einem Mann haben die Soldaten die Füße mehrmals durchgeschossen.“

Tiefgläubig versammelte sich die Familie von Adolf Papai täglich zum Gebet.

Die Transporte nach Litzmannstadt (Lodz )
Am Dienstag, dem 4. November 1941, und am darauf folgenden Freitag wurden je rund 1.000 Lagerinsassen nach Litzmannstadt (Lodz in Polen) deportiert. „Wir wussten nicht, wohin die Transporte gehen“, sagt Adolf Papai. „Ich weiß bis heute auch nicht, nach welchen Kriterien die Menschen ausgesucht wurden. Die Leute mussten antreten, die Kommandos lauteten: „Du kommst weg. Stell dich hierher!“

Die Menschen wurden in den Zug verladen, um 16 Uhr war Abfahrt. „Wir dachten, sie kommen vielleicht in ein anderes Lager, wo es ihnen besser geht. Wir ahnten nicht, dass das die Transporte in die Gaskammer waren.“

Flecktyphus
An regelmäßige Körperpflege war nicht zu denken. „Auch die Toiletten waren furchtbar. Eine Furche, 15 Meter lang, links und rechts mit Holzpfosten.“ Die Latrine musste von den Lagerinsassen mit bloßen Händen gereinigt werden.

Anfang 1942 brach im Lager Flecktyphus aus. „Jeden Tag sind daran 10 bis 15 Leute gestorben. Die Toten wurden ins Kohlelager geworfen. „Auch Menschen, die noch nicht tot waren, lagen dort“, denkt Adolf Papai zurück. Die Toten wurden am Judenfriedhof in Lackenbach in Massengräbern begraben. „Wie Scheiterholz wurden die Leichen geschlichtet. Auch viele Verwandte von mir sind gestorben. „Tante Juli“ und ihr Mann „Monx“, der mit ihr ins Lager ging, obwohl er kein Roma war. Und alle ihre vier Kinder.“

Die Kranken hatten rote Flecken und brauchten viel Wasser. Zu Beginn der Epidemie wurde der Gemeindearzt von Lackenbach verständigt. Auch Adolf Papai steckte sich an und war einer der wenigen, die Medikamente bekamen. Nach fünf Wochen erholte er sich.

Auch vor den Aufsehern machte die Krankheit nicht halt, so gibt das Lagertagebuch am Donnerstag, dem 29. Jänner 1942, wieder: „Lagerleiter Kohlroß ist heute um 5:10 Uhr verschieden“.

Mit der neuen Lagerleitung besserte sich die Situation ein wenig. Arbeitsfähige Insassen wurden in umliegenden Betrieben eingesetzt. Auch Adolf Papai durfte das Lager verlassen und half einem Förster, der für ihn zehn Mark im Monat an die Lagerverwaltung bezahlte, zwei davon erhielt Papai. Doch für ihn war Geld nicht wichtig: „Ich werde nie vergessen, als ich zum ersten Mal eine Rindsuppe bekommen habe. Ich dachte, ich bin neu geboren.“

Das Zigeunerlager Lackenbach wurde von der Roten Armee befreit.

Die Zeit nach 1945
Adolf Papai arbeitete aus Dankbarkeit noch mehr als ein Jahr ohne Bezahlung bei dem Förster, der ihn 1943 aus dem Lager holte und verdiente danach sein Geld mit seiner Musik und als Hilfsarbeiter.

Das ehemalige Zigeunerlager betrat er nie wieder.