Erlebte als Soldat der Kriegsmarine 13 Feindfahrten.

„Ich sah im Wasser nie eine Gefahr“, sagt Willhelm Hutter. Schon als Kind genoss er es, wenn sein Vater mit ihm im Lake Michigan schwamm. Die Eltern von Hutter waren Auswanderer, er kam 1925 in St. Louis zur Welt. Sieben Jahre später kehrte die Mutter mit Willhelm und seinen beiden Geschwistern in den Heimatort Mariasdorf zurück.

Schon bei der Musterung wusste Hutter genau, welche Laufbahn er einschlagen wollte: „Für mich gab es nichts anderes als die Marine.“ Er war fasziniert von dem Gedanken, zur See zu fahren. „Ich stellte mir vor, ich würde als Marineoffizier auf einem großen Schiff ins Ausland fahren.“

Im Alter von 18 Jahren wurde Willhelm Hutter zur Marine-Grundausbildung nach Stralsund einberufen. „Jetzt geht’s aufs Wasser.“ Als frühzeitig einberufener Schüler bekam er ein Abgangszeugnis mit „Reifeklausel“. Zuvor hatte er in Stralsund eine Eignungsprüfung bestanden, eine harte Ausbildung an der Marineschule folgte: „Wir mussten zum Beispiel mit Gasmasken Dünen hinauflaufen.“ Er lernte Segeln, gewöhnte sich langsam an das Meer und das Wasser. „Ich fuhr hinaus, das Segel und das Ruder machten mit mir, was sie wollten. Am Anfang war ich immer der Letzte, der zurückkam.“

Nach der ersten Ausbildung wurden alle Kadetten im Oktober 1943 auf Schiffe der Kriegsmarine aufgeteilt. „Gemeinsam mit 13 Kameraden kam ich nach Cherbourg zur fünften Schnellbootsflottilie.“ Zehn Boote vom Typ S100 lagen im Hafen von Cherbourg, geschützt von meterdickem Beton. Das Schnellboot war bis zu 40 Knoten schnell, das sind cirka 70 km/h. Zwei Zehn-Zylinder Mercedes-Motoren mit 7.500 PS trieben die Schiffsschrauben an. „Das Boot hob sich regelrecht, wenn wir wegfuhren.“ Bewaffnet war es mit vier Torpedos mit 53,3 cm Durchmesser, einem Flugabwehr-Geschütz und zwei Maschinengewehren. 30 bis 32 Mann waren an Bord.

Die erste Feindfahrt
Die erste Feindfahrt wird Willhelm Hutter nie vergessen. Der Kapitän des Schnellboots S 142 teilte ihm den Platz am Steuerbordausguck zu. „Ich schaute mit einem starken Nachtsichtglas in alle Himmelsrichtungen. Ich hatte Angst. Mir war schlecht. Es ging rauf und runter, die See war sehr unruhig, die Wellen sehr hoch.“ Insgesamt sieben Mal erbrach Hutter. „Ich saß auf einem Torpedo und war völlig teilnahmslos.“

Stunden später war der Verband in den Bristol-Kanal vorgedrungen. „Die Engländer vermuteten nicht, dass wir uns bis fünf Kilometer an ihre Küste heranwagen würden.“ Im Schutz der Dunkelheit und in völliger Stille warteten die zehn Schiffe. Fünf Pärchen, Rottenführer und Rottenknecht genannt. Die Falle sollte schon bald zuschnappen.

Ein Tanker wurde in dieser Nacht von britischen Zerstörern nur bis zur Mündung des Bristol-Kanals beschützt. Es war ein fataler Fehler der Engländer, angesichts des sicheren Hafens den Geleitschutz frühzeitig aufzugeben. Die Zerstörer bogen weg.

Minuten später kam das Kommando zum Angriff, das Schiff war schutzlos. „Wir wühlten herum wie ein Wolf in der Schafsherde“, erinnert sich Hutter. Die Schnellboote konnten ihre Torpedos bei voller Fahrt abfeuern. Sie fuhren auf das Ziel zu, feuerten den Torpedo ab und bogen dann sofort weg. „Die Hundeschlaufe.“ Die Seeleute hatten keine Chance. Sprangen sie vom sinkenden Schiff ins Wasser, sprangen sie direkt in das ausgelaufene brennende Benzin. „Ich hörte die Schreie der Seeleute, sah ihre Köpfe im brennenden Meer. Das waren arme Teufel.“

Der Tanker versank nur 800 Meter vor Hutters Augen. Am Tag danach gab es eine Sondermeldung, wo die fünfte Schnellbootflottile besonders lobend erwähnt wurde. „Bravo, Seeleute“, schrieb der ‚Führer’.

In zehn Tagen vom Offizier zum Kriegsgefangenen
Dreizehn Feindfahrten erlebte Willhelm Hutter, seine Flottille versenkte ungefähr 25 feindliche Schiffe. Oft geriet sein Boot auch unter Beschuss. “Die deutschen Geschosse zeichneten eine weißgelbe Leuchtspur in die Nacht, die englischen eine rote.“ Um den Feind zu täuschen, wurden brennende Bojen ausgesetzt, die explosionsartig brannten und stark rauchten. „Die Engländer dachten dann, das Boot brennt.“

Nach der Rückkehr von erfolgreichen Feindfahrten wurden die Soldaten im Hafen beschenkt. Es gab Schokolade, Traubenzucker, Zigaretten und viel Sekt: „Setzt an, lasst laufen“. “ Setzt ab“, hieß es dann. „Es ist vorgekommen, dass ich nicht mehr wusste, wie wir in unser Quartier gekommen sind.“

Nur ein Monat vor der Invasion wurde Willhelm Hutter aus Cherbourg abgezogen. Das Schnellboot S142 wurde am 15. Juni 1944 von einer Fliegerbombe versenkt.

Im Herbst 1944 legte der erst 19 jährige die Seeoffiziershauptprüfung ab, nach der er bereits selbst Boote kommandieren hätte dürfen. Hutter erhielt auch das Schnellboot- Kriegsabzeichen. Am 20. April 1945 wurde er zum Oberfähnrich zur See ernannt, das ist der niederste Offiziersrang.

Nur zehn Tage nach seiner Beförderung in den Offiziersrang, am 30. April 1945, nahmen ihn amerikanischen Soldaten im Raum Ulm gefangen.

Die Zeit nach 1945
Nach 30 Monaten in amerikanischer Kriegsgefangenschaft kehrte Willhelm Hutter im nach Mariasdorf zurück. Danach absolvierte er ein Studium sowie die Lehramtsprüfung und ging nach 35 Dienstjahren als Direktor des BG/BRG/BORG Oberschützen in Pension.

Heute sieht er die vermeintlich gefährliche Aufgabe bei der Marine als Glücksfall: „Viele meiner Kollegen sind gefallen, ich hatte Glück, dass ich zur Marine kam.“